Wie wir Igeln richtig helfen – Tipps vom Experten
Rechtliches vorweg:
Igel stehen nach dem Bundesnaturschutzgesetz unter strengem Schutz. Nur hilfsbedürftige Tiere dürfen vorübergehend aufgenommen werden und müssen anschließend so bald wie möglich wieder ausgewildert werden – am besten am Fundort.
Wer professionelle Hilfe für einen Igel sucht: Die Wildtierstation im Tierheim München Riem bietet an 365 Tagen im Jahr Rat und Hilfe (Tel. 089 921 000 760)
Wann braucht ein Igel wirklich Hilfe?
Ein Igel, der tagsüber unterwegs ist, ist nicht automatisch krank. Im Herbst werden viele Tiere beim Aufräumen im Garten aufgescheucht.
Hilfsbedürftig ist ein Igel, wenn er:
- wankt oder apathisch wirkt,
- sich nicht mehr einrollt,
- Fliegeneier am Körper trägt,
- kalt ist,
- verklebte Augen oder Ohren hat,
- oder stark unterernährt aussieht.
- Verwaiste Babyigel mit noch geschlossenen Augen sind immer hilfsbedürftig.
Vorsicht: Das Gewicht allein ist kein verlässlicher Maßstab. Viele muntere Jungtiere landen unnötig in Pflegestellen. Besonders junge Tiere unter 100 g, die allein gefunden werden, brauchen allerdings meist Hilfe – vor allem bei Regen oder Kälte.
Pauschal zuFüttern – lieber nicht!
Entgegen verbreiteter Meinung raten Fachleute heute vom regelmäßigen Zufüttern ab.
Die Vorstellung, der Igel finde keine Nahrung mehr, sei laut Nitsch nicht wissenschaftlich belegt. Sowohl Igel- als auch Insektenbestände nehmen in ähnlichem Umfang ab und Untersuchungen zeigen: Igel fressen weiterhin überwiegend Käfer, Larven und Würmer.
Futterstellen können den Tieren sogar schaden – durch:
- Verletzungen durch Kämpfe um das Futter,
- Übertragung von Parasiten,
- verzögerten Winterschlaf,
- oder übermäßige Gewichtszunahme.
Untersuchungen von Carsten Schiller, Tierarzt in Berlin und Vorsitzender des Vereins Pro Igel e.V., zeigen Erstaunliches: Ein Igelmagen fasst normalerweise rund 10g natürliche Beute, an Futterstellen aber bis zu 150g.
Falls ein Igel in Pflege gefüttert werden muss, gilt:
Am besten ausschließlich spezielles Insektenfutter verwenden (die Wildtierstation arbeitet mit einem speziellen Brei von Entarva), zur Not auch qualitativ hochwertiges Katzenfutter. Trockenfutter enthält zu viele nicht-tierische Füllstoffe und quillt im Magen nach, was den überfressenen Magen zusätzlich dehnt. Ei verursacht in den angebotenen Mengen meist Durchfall.
Erste Hilfe beim Fund
Wer einen hilfsbedürftigen Igel findet, sollte:
1. Wärme geben – z. B. mit einer handwarmen Wärmflasche (der Igel muss sich aber wegbewegen können).
Ausnahme: Bei Fliegeneiern zuerst davon befreien oder zumindest kritisch abwägen, Fliegen schlüpfen unter Wärme innerhalb weniger Stunden und verschlechtern die Überlebenschancen deutlich!
2. Wasser anbieten. Futter ist zunächst zweitrangig.
3. Fachhilfe holen – etwa bei der Wildtierstation im Tierheim München-Riem.
Die besten Igelhelfer: naturnahe Gärten
Langfristig hilft kein künstliches Igelfutter, sondern Lebensraum mit natürlicher Beute.
Ein wilder Garten mit Laub- und Totholzhaufen, heimischen Sträuchern und insektenfreundlichen Pflanzen bietet Unterschlupf und Nahrung.
Privatgärten machen rund 2–4 % der Landesfläche aus – ein riesiges Potenzial für Artenschutz und gegen Biodiversitätsverlust.
„Wir müssen unser Bild vom perfekten Garten überdenken“, so Nitsch. „Ein bisschen Unordnung rettet Leben.“
Zahlen und Fakten
- Jährlich landen etwa 1.800 Igel im Tierheim München.
- Lebenserwartung: 3–7 Jahre
- Hohe Jungsterblichkeit: 70–80 %
- Häufigste Todesursachen: Verkehr (bis 50 %), Gartenunfälle (20 %), Unterernährung (15 %)
Größte Gefahren: Lebensraumverlust, Straßenverkehr, Insektensterben und versiegelte Flächen – in Bayern verschwindet dadurch jeden Monat eine Fläche so groß wie der Englische Garten, so der Experte.
Fazit:
Wer Igeln helfen möchte, lässt Laubhaufen liegen, verzichtet auf Mähroboter und Chemie – und beobachtet aufmerksam.
Nicht Futterstellen, sondern Lebensräume sichern das Überleben unserer stacheligen Nachbarn.